Montag, 10. September 2012

Sofie Cramer: „Was ich dir noch sagen will“ bzw. „Ein Teil von dir“

In wievielen Filmen haben wir es schon gehört, in wievielen Büchern schon gelesen: niemals im Streit auseinandergehen, da man nie weiss, ob der Andere bis zum nächsten Treffen nicht überfahren, erschossen, vom Dach geschubst… wird? Im zuletzt von mir gelesenen „Der Wunschzettel“ von Alexandra Potter lehnt es der Vater der Protagonistin sogar ab, jemals zu jemandem „Auf Wiedersehen“ zu sagen. Insgesamt ist die Thematik des plötzlich eintretenden Todes sowie die ganzen „Was wäre, wenn“-Momente also bereits ausgiebigst besprochen worden und so ist auch Sofie Cramers „Was ich dir noch sagen will“ nichts wirklich Neues im Buchregal.

"Was ich dir noch sagen will": Von Unfällen und Streitigkeiten

Lisa und Erik, ein jungverheiratetes Paar in den Dreissigern, haben auf dem Heimweg aus den Flitterwochen den eigentlich geplanten Zubringerflug verpasst: nach ihrer Heimkehr erfahren sie, dass exakt dieser Flieger, den sie eigentlich hätten nehmen sollen, abgestürzt ist und dass es keine Überlebenden gab. Daraufhin stellen beide ihr Leben in Frage und überlegen, welche Ziele, welche Träume sie haben. Sie stellen entsprechende Listen auf und stellen beim Vergleichen fest: hoppala, die sind ja ganz unterschiedlich. Während Erik in die Welt hinausstrebt, möchte Lisa eine Familie gründen, doch ein Kind ist für Erik scheinbar unvorstellbar. Die Beiden driften immer mehr auseinander und nach einem heftigen Streit wird Erik in einen Verkehrsunfall verwickelt und lebensgefährlich verletzt…

 

"Was ich dir noch sagen will": Latti hat`s gelesen

Ich muss zugeben: ich fand „Was ich dir noch sagen will“ total langweilig und Sofie Cramers Schreibstil irgendwie altbacken. Mich hat die Erzählung nun eher an einen Fortsetzungsroman in unserer früheren deutschen Tageszeitung erinnert: dort wurden immer sich eher schlecht verkaufende Romane Stück für Stück veröffentlicht. Meine Oma las diese immer ganz gerne; ich fand sie meistens unspannend und habe schon nach wenigen Episoden damit aufgehört, den Fortsetzungsroman zu lesen. Nur einmal fand ich die Geschichte so spannend, dass ich in die nächste Buchhandlung gelaufen bin, um mir das betreffende Buch zu besorgen, weil ich die Fortsetzungen nicht mehr abwarten konnte. Letztlich war das auch der einzige Fortsetzungsroman, den ich vollständig gelesen habe. Ich breche einmal begonnene Bücher, die mir schon komplett vorliegen, nur ungern ab, aber während des Lesens von „Was ich dir noch sagen will“ habe ich echt mit mir gehadert, ob ich es tatsächlich auslesen sollte.

Ganz am Anfang des Buches ging es kurz um den nur zufällig entkommenen Flugzeugabsturz: daraufhin stürzt sich Erik in seine Arbeit und seinen Sport. Er arbeitet nicht nur als Sportmediziner, sondern ist selbst auch regelrecht sportbesessen. Lisa fühlt sich ständig alleingelassen und spürt den Wunsch nach einem Kind immer stärker werden. So ist Erik den grössten Teil der Handlung abwesend, während Lisa nur jammert, sich bemitleidet, an der Beziehung mit Erik zweifelt und ihren Träumen von der heilen Familie hinterherhinkt.
Ich mochte Erik nicht: er kam sehr ignorant und rücksichtslos rüber. So will er beispielsweise zwar gerne in die Entwicklungshilfe gehen, muss sich aber überreden lassen, mal vom Obdachlosen, der sich zumeist vor ihrer Stammbäckerei aufhält, Notiz zu nehmen. Lisa hingegen ist es ein echtes Bedürfnis, diesem Mann irgendwie zu helfen, was Erik aber abtut. Als er schliesslich doch eine gewisse Initiative ergreift, erzählt er Lisa nichts davon – und so wie Erik geschildert wird, habe ich nicht den Eindruck, als wollte er Lisa später mit seinem Einsatz überraschen, sondern als würde er schlicht und einfach gar nicht daran denken, ihr je davon zu erzählen. Immerhin verabredet er beispielsweise auch mit Lisa, einen gemütlichen Abend zu Zweit zu verbringen und als sie dann voller Vorfreude heimkommt, findet sie nur eine Notiz vor, dass er doch lieber mit einem Kumpel zum Sport gegangen ist.
Ich mochte Lisa nicht: sie wird einerseits als sehr ehrgeizige Frau geschildert. Sie hat Modedesign studiert, danach als Moderedakteurin gearbeitet und nun mit einer Freundin ein gemeinsames Label inklusive eigener Boutique gegründet. Klingt sehr zielstrebig, aber insgesamt erinnerte sie nicht an eine toughe Frau, die es gewagt hat, sich mitten in der Wirtschaftskrise selbstständig zu machen  und auch nicht an eine starke Frau, die sich in der Modebranche durchsetzen kann: ich musste bei Lisa immer mehr an eine junge Studentin denken, die nach dem zweiten Semester überlegt, ob sie nicht doch besser zumindest das Studienfach wechseln sollte. Lisa wirkt hier absolut unsicher und schüchtern, sehr schwach und ein ziemlicher Jammerlappen.
Ich fand die Partnerschaft der Beiden nun ohnehin sehr seltsam: es schien so rein gar keine gemeinsamen Bezugspunkte zu geben und mir erschien das Hauptproblem „Oh, mein Mann will gar kein Kind?!“ auch irgendwie fragwürdig. Vielleicht habe ich mich damit aber auch nur schwergetan, weil dieses Thema mit meiner persönlichen Vorstellung so gar nicht übereinstimmt: ich bin der Meinung, dass man, wenn man heiratet, doch auch schon sicher sein sollte, dass Zukunftsträume/Zukunftsplanungen weitgehend übereinstimmen. Ich finde es einfach fragwürdig, erst nach der Eheschliessung zu fragen: „Und? Willst du eigentlich auch Kinder? Wie, nicht? Aber ich hätte doch gerne ein halbes Dutzend!“

Dann wird im Roman noch ständig die gegenseitige Kompromissbereitschaft ins Spiel gebracht: wie wichtig diese doch sei. Aber sorry, für mich ist das Kinder-Thema einfach zu übermächtig, als dass man hier einen Kompromiss finden könnte. Deswegen dachte ich während des gesamten Romans auch: „Seht es ein: ihr habt komplett unterschiedliche Vorstellungen vom Leben. Trennt euch endlich!“
Nachdem Erik also nie da war und Lisa nur an ihren Kinderwunsch dachte, was bedeutet, dass in den ersten vier Fünfteln des Buches gar nichts passierte, hatte Erik also diesen tragischen Unfall. Okay, und nun erkannte dieselbe Lisa, die vorher kreuzunglücklich war, plötzlich, wie glücklich Erik sie doch immer gemacht hat?! Auf mich machte das eher den Eindruck: nun hat sie Angst, dass sie nicht nur ohne Kind, sondern künftig auch ohne Mann dasteht. Irgendwie habe ich beim Lesen bei Lisa keine Liebe, sondern eher Angst vor dem Alleinsein, gespürt.  

Eigentlich lese ich solche Liebesdramen sehr gerne und bin immer sehr gespannt, wie Menschen, ob nun fiktional oder auch in der Realität, mit dem plötzlich eintretenden Tod bzw. plötzlicher Lebensgefahr umgehen und inwiefern sie dieses Bewusstsein ihr Leben verändern lässt. Aber dieses Thema wurde in zig anderen Romanen schon deutlich besser umgesetzt; „Was ich dir noch sagen will“ vermochte mich nun überhaupt nicht zu fesseln oder emotional zu berühren. Für mich ist „Was ich dir noch sagen will“ einfach in der Riege der erwähnten langweiligen Fortsetzungsromane anzusiedeln; schade, nach „SMS für dich“ hatte ich mir mehr von Sofie Cramer versprochen. Aber diesen Roman fand ich nun einfach enttäuschend. Aber immerhin ist die Sprache sehr sauber, die Erzählweise flüssig (so habe ich nun auch nur knapp 1 ½ Stunden gebraucht, um „Was ich dir noch sagen will“ zu lesen) und die Geschichte prinzipiell gut erzählt: aber eine gute Erzählweise macht eben längst keine gute Geschichte.

Insgesamt: 4 von 10 Rauschmitteln.


(„Ein Teil von dir“ lautete der Arbeitstitel von „Was ich dir noch sagen will“. Es gab bereits eine Weltbild-Ausgabe des Romans, der unter eben diesem Titel, „Ein Teil von dir“, veröffentlicht worden ist. Prinzipiell handelt es sich bei „Was ich dir noch sagen will“ und „Ein Teil von dir“ aber um den gleichen Roman; nicht durch die verschiedenen Titel verwirren lassen!)  

Buch-Info „Was ich dir noch sagen will“, Sofie Cramer / Verlag: rororo / ISBN-10: 3499254220 / ISBN-13: 978-3499254222/ 288 Seiten / 8,99€ / ebook-Preis: 8,99€  (mit viel Glück besonders günstig bei Jokers Deutschland)
Preise (vom 10.09.2012) in der Schweiz: exlibris – CHF 10,80 (Printbuch) / Weltbild - CHF 12,90 (Printbuch); CHF 10,80 (ebook) / Thalia – CHF 15,90 (Printbuch); CHF 10,90 (ebook) / mit viel Glück besonders günstig bei Jokers Schweiz


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