Mittwoch, 16. Januar 2013

Jennifer Brown: "Bitter Love"

[Bücher-ABC 2013] „Die Hassliste“, den Debütroman von Jennifer Brown, habe ich zwar nicht hier im Blog vorgestellt, aber dennoch im Herbst begeistert gelesen: noch viel mehr bewegt als begeistert und würde ich ihn hier im Blog vorgestellt haben, wäre dieser Jugendroman von mir mit 10 von 10 Rauschmitteln ausgezeichnet worden. Denn das ist definitiv eines der Bücher, die ich jeden gerne zu lesen zwingen würde. Im Mittelpunkt der „Hassliste“ steht ein junges Mädchen, welches bislang immer eine Aussenseiter-Rolle innehatte und nun auf sehr tragische Weise in den Mittelpunkt gestellt wurde: denn gemeinsam mit ihrem Freund hat sie eine Liste geführt, auf der alles und vor Allem jeder aufgeführt war, dem sie mit Verachtung begegneten – bis ihr Freund die Liste „abarbeitet“… Er läuft in der Schule Amok und erschiesst alle aufgeführten Personen… „Die Hassliste“ ist ein unglaublich aufwühlender und emotionsgeladener Roman und ich habe, obschon ich mich eigentlich nicht als komplett weichgespült betrachte, tatsächlich leise durch das komplette Buch geweint.

Am 23.12. sind Punti und ich nun mit dem Zug zu meiner Familie gefahren. Mein Kindle war voll mit (noch) ungelesenen Büchern und kurz nach Mannheim beschloss ich dann, doch noch etwas zu lesen. Also wurde der eReader ausgepackt und spontan mittels „Eene meene Muh“ ein Buch auf der ersten Seite des Speichers herausgepickt und so prompt „Bitter Love“ von JenniferBrown erwischt. Tja, und das habe ich dann artig zu lesen bekommen, mit dem Anflug einer leichten Panik: wie peinlich wäre es wohl, im ICE über dem Kindle in Tränen auszubrechen?



„Bitter Love“


Seit ihre Mutter vor einigen Jahren gestorben ist, fühlt sich Alex allein: die Beziehung zwischen ihr, ihren Schwestern und dem Vater scheint zerrissen und nach dem Schulabschluss möchte Alex auf den Spuren ihrer Mutter zusammen mit ihren besten Freunden Zack und Beth eine Reise nach Colorado unternehmen. Wöchentlich treffen sich die Drei und beschäftigen sich mit der Reiseplanung – doch dann kommt der charismatische Cole neu auf ihre Schule und zwischen Alex und ihm entwickelt sich eine romantische Beziehung, die die Dreier-Freundschaft ins Hintertreffen geraten lässt.
Und dann kommt auch noch eine völlig gegensätzliche Seite des anfangs doch so romantischen, sensiblen Cole zum Vorschein: er kontrolliert Alex mehr und mehr, seine Eifersucht wird übergross und die Zärtlichkeit kehrt sich in Aggressivität um… Doch zwischendurch ist er immer wieder „Cole vom Anfang“ und Alex kann nicht von ihm lassen, obschon auch ihre Angst vor Cole immer grösser wird…

"Bitter Love": Latti hat`s gelesen


Um es gleich vorwegzunehmen: ich empfand es dann doch gar nicht als so schlimm, als mir am Ende des Buches dann doch einige Tränen in die Augenwinkel geschossen sind. Also falls jemand von euch am 23.12.2012 mit dem ICE Basel-Dortmund gefahren ist und kurz vor Köln dann in der 1. Klasse eine lautlos weinende Frau mit einem Kindle in der Hand bemerkt hat: das war ich und mir gings prima; ich hatte keine Weihnachtsdepression oder dergleichen, ich habe lediglich mal wieder etwas von Jennifer Brown gelesen gehabt.

„Bitter Love“ erzählt wiederum  eine ebenfalls sehr berührende Geschichte, auch wenn ich finde, dass „Die Hassliste“ dann doch noch etwas mehr zu Herzen ging. „Bitter Love“ wird in der 1. Person Singular, also von Alex selbst, erzählt, die auch eine sehr direkte Sprache hat und sehr ausführlich berichtet.

„Bitter Love“ handelt eben von Gewalt in der Beziehung und thematisiert aber auch die innere Zerrissenheit und die Unsicherheit eines Opfers. Es erläutert, warum „Wenn er mich einmal schlägt, bin ich weg.“ häufig doch nicht mehr ist als eine blosse Floskel: so erklärt bzw. rechtfertigt Alex Coles ersten Ausraster gleich als Ausnahmeerscheinung; klar, er hat zuvor auch noch keinerlei Aggressionen gezeigt. Aber auch beim zweiten Ausraster nimmt sie seine Entschuldigung noch an – und plötzlich ist die gesamte Situation schon soweit fortgeschritten, dass Alex einfach nur noch Angst hat… Sie weiss nicht, wem sie sich anvertrauen kann bzw. wer ihr überhaupt helfen kann und sie hat Angst, dass wem immer sie die Wahrheit über die erlebte Gewalt sagt, auch von Cole zum Opfer gemacht wird. Es ist eine sehr verzwickte Angelegenheit und beim Lesen wollte ich Alex ständig in den Arm nehmen und sie von Cole wegziehen, konnte ihre Beweggründe zu schweigen und Verletzungen zu überdenken aber auch durchaus nachvollziehen. Der Gedanke „Du blöde Kuh, nun schiess ihn doch einfach in den Wind.“ oder „Jetzt sag doch einfach mal was und bitte um Hilfe.“ kam gar nicht auf; in mir entstand eher so eine Grundverzweiflung, dass es offenbar in Alex` Umfeld niemanden aufzufallen schien, dass sie ständig Verletzungen versteckte bzw. dass niemand ihre teils doch recht dummen Begründungen für die Blutergüsse etc. von niemandem hinterfragt worden ist, obwohl Cole später auch gegenüber Alex` Freunden total austickt… Insgesamt wird „Bitter Love“ von einer ausgeprägten Hilflosigkeit beherrscht, die hier noch tragischer wirkt, da es sich eben um noch jugendliche Hauptfiguren handelt, die nicht zuletzt aufgrund ihres Alters und der mangelnden Lebenserfahrung natürlich erst recht noch hoffnungslos mit einer solchen Situation überfordert sind.

Falls jemand von euch in einer ähnlichen Situation wie Alex steckt: die Schweizerische Eidgenossenschaft hat ein Informationsblatt explizit  zu Gewalt in jugendlichen Paarbeziehungen (PDF-Format) herausgegeben, auf dem auch einige Adressen/Hilfsangebote aufgeführt sind. In Deutschland und Österreich gibt es sicherlich ähnliche Angebote: nutzt sie!

Alles in Allem ist auch „Bitter Love“ ein sehr reflektiertes Buch und ich schätze an Jennifer Brown sehr, dass sie ihre Geschichten doch immer so differenziert betrachtet erzählt. Ich möchte auch in Zukunft noch sehr, sehr viel von dieser Autorin lesen und freue mich schon wahnsinnig auf den nächsten Roman „Thousand Words“, der im Mai 2013 erscheint (einen deutschen Titel bzw. ein Veröffentlichungsdatum für den deutschsprachigen Raum habe ich nun noch nicht gefunden). Zudem steht die Veröffentlichung der bereits im Juli 2012 erschienenen Road Trip Novelle „Perfect Escape“ hierzulanden auch noch aus; immerhin gabs die deutschsprachige Ausgabe von „Bitter Love“ (welches im englischsprachigen Original übrigens „Bitter end“ heisst) auch erst im September 2012.

Allerdings fand ich das Ende von „Bitter Love“ nun nicht ganz so gut gelungen; da hätte ich gerne etwas mehr über die Zeit nach dem wirklich dramatischen „Showdown“ erfahren bzw. auch noch mehr darüber gelesen, wie Alex` Umfeld nun eigentlich mit der Situation umgeht, beispielsweise, ob da nicht im Nachhinein noch wer von Schuldgefühlen zerfressen wird, weil er nicht schon weit zuvor eingegriffen hat oder Ähnliches. Insgesamt fand ich den Schlussteil einfach zu kurz, nachdem man zuvor quasi immer eins mit Alex gewesen ist; da fehlte mir nun einfach ein klitzekleines bisschen was. Nichtsdestotrotz: ein fantastisches Buch, in dem eine sehr wichtige Thematik angesprochen wird (weswegen es eine Weiterempfehlung sicherlich absolut verdient hat!), und ich sagte schon, Jennifer Browns „Hassliste“ würde ich tatsächlich mit der Höchstwertung benoten, aber hier ziehe ich dann doch noch ein kleines Pünktlein ab. Und das sind dann doch immer noch

9 von 10 Rauschmitteln!


Buch-Info

„Bitter Love“, Jennifer Brown / Verlag: Deutscher Taschenbuch Verlag / ISBN-10: 3423760486 / ISBN-13: 978-3423760485 / 408 Seiten / 14,95€ (gebundene Ausgabe) / ebook-Preis: 12,99€
Preise (vom 16.01.2013) in der Schweiz: ex libris – CHF 17,50 (gebunden); CHF 10,55 (ebook) / Thalia – CHF 21,90 (gebunden); CHF 15,90 (ebook) / Weltbild – CHF 21,90 (gebunden); CHF 17,90 (ebook)

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