Samstag, 30. März 2013

Allison Winn Scotch: "Gestern fängt das Leben an"

[Bücher-ABC 2013] “Time of my life” lautet der englischsprachige Originaltitel von “Gestern fängt das
Leben an”, einem Roman der amerikanischen Bestsellerautorin Allison Winn Scotch (Foto rechts / offizielles Pressefoto des Verlages © Denise Winters) – und in diesem Fall muss ich ausnahmsweise zugeben, dass mir der deutsche Titel besser und angesichts der erzählten Geschichte passender erscheint. Denn in diesem doch sehr lesenswerten Buch geht es um Jillian, kurz: Jill, die eine Zeitreise unternimmt, zurück in die Vergangenheit. Haben wir nicht alle den ein oder anderen Moment in unserer Vergangenheit, über welchen wir heute denken, dass wir uns da doch besser anders entschieden hätten? Jill geht es ebenso und sie würde am Liebsten ihr komplettes heutiges Leben eintauschen – da ist ein solcher Zeitensprung doch eine tolle Möglichkeit, seine Zukunft bzw. seine jetzige Gegenwert entsprechend zu korrigieren, oder nicht? Nee, natürlich nicht... Denn so einfach ist es selbstverständlich nicht, wie  Jill schon recht bald feststellen muss...


“Gestern fängt das Leben an” - ändern wir das Morgen! 

Jill, Hausfrau und Mutter. Gelangweilt und unzufrieden mit ihrem Leben: als sie den rationalen Henry geheiratet hat, hat sie doch nicht damit gerechnet, so zu enden? Sie kümmert sich um Haushalt und Kind, während Henry ständig auf Geschäftsreise ist... Wo ist denn nur die Leidenschaft geblieben, was ist aus ihren Interessen und ihren Träumen geworden? Jill fühlt sich verloren und überlegt, ob Henry überhaupt der Richtige ist.
Bestimmt wäre ihr Leben viel aufregender, wäre sie mit ihrem Ex-Freund Jack zusammengeblieben, diesem lebenslustigen unbedarften Schriftsteller, welcher seine Arbeit nicht ganz so verbissen verfolgte und dessen grösstes Manko doch zweifelsohne lediglich seine Upper-Class-Mutter war?

Eine Massage bietet Jill dann eine unverhoffte zweite Chance: als sich ihr blockiertes Chi löst, wird Jill plötzlich in die Vergangenheit zurückkatapultiert und plötzlich findet sie sich im Jahre 2000 wieder, als sie noch mit Jack in New York zusammenlebte. Nun kann Jill doch all die Dinge ändern, von denen sie weiss, dass diese sie in der Zukunft stören (würden)? Aber schon bald stellt Jill fest, dass die Zukunft mit Jack doch nicht unbedingt so ausgesehen hätte, wie sie es sich in ihrem späteren Leben mit Henry ausgemalt hat...  und überhaupt Henry: auch der taucht in Jills veränderter Vergangenheit wider Erwarten auf und es scheint als könne Jill ihm gar nicht entkommen?!

“Gestern fängt das Leben an”: Latti hat`s gelesen!

“Gestern fängt das Leben an” ist definitiv ein Chicklit-Roman – der sich allerdings nicht mit einer seichten, oberflächlichen Geschichte zufriedengibt. Denn hier steht nicht die Frage “Kriegen sie sich oder kriegen die sich nicht?” im Vordergrund, obschon man natürlich neugierig ist, ob Jill im “neuen alten Leben” tatsächlich mit Jack zusammenbleibt oder ob sie doch wieder mit Henry zusammengeführt wird. Die grössere Frage in “Gestern fängt das Leben an” ist aber definitiv, ob man tatsächlich glücklicher wird, wenn man die Chance erhält, vermeintlich falsche Dinge in der Vergangenheit auszumerzen... Wäre das Leben soviel anders, wenn man sich an dieser einen Weggabelung des Lebens anders entschieden hätte? Würden einen nicht letztlich nur andere Dinge stören? Oder hat man sich an der Kreuzung doch für den richtigen Weg entschieden und verklärt die andere Abzweigung im Nachhinein nur total? Kann man den Verlauf seines Lebens überhaupt grundlegend ändern oder sind gewisse Dinge vorherbestimmt, wie in diesem Fall Jill und Henrys Beziehung?
Im Grunde genommen erzählt Allison Winn Scotch in “Gestern fängt das Leben an” von einer Protagonistin, die sich selbst findet und nicht wie in den meisten dieser Frauenromane üblich von einer Frau, die ihre grosse Liebe findet.

Jill, in sich selbst verloren, blieb mir zunächst ein wenig fremd: ich fand, sie arrangierte sich nach dem Zeitsprung zu schnell mit ihrer neuen Gegenwart. Klar, sie fühlte sich zuvor unglücklich und insofern war es nachvollziehbar, dass sie erleichtert war, dieser Zukunft entkommen zu sein. Andererseits war sie aber doch sehr vernarrt in ihre Tochter und auch wenn die Sehnsucht später wuchs, schien es ihr anfangs doch etwas (für mich) zu gleichgültig zu sein, dass sie ihre kleine Tochter quasi verloren hatte. Mit diesem Aspekt habe ich mich ein wenig schwergetan.
Auch war Jack allzu offensichtlich nur eine Flucht aus dem echten Hier und Jetzt: es wurde von vornherein klar kommuniziert, warum die Beziehung der Beiden gescheitert war, so dass ich nicht so recht verstanden habe, warum Jill in der Vergangenheit an dieser Beziehung arbeiten wollte und wieso sie so überzeugt gewesen ist, dass das Leben mit Jack doch viel spannender und lebenswerter geworden wäre. Hier wurde doch schnell deutlich, dass sich Jill da in eine sehr romantisierende Vorstellung verrannt hatte; ich wollte ihr quasi ständig zurufen: “Ja, du kannst dein Leben verändern, wie du willst. Aber Jack wird dadurch nicht anders!” Oder würde er sein Verhalten etwa doch noch ändern, wenn Jill nur kräftig genug mit der Faust auf den Tisch schlüge...?

Insgesamt bleiben die Figuren in “Gestern fängt das Leben an” recht blass: klar, Jill erzählt hier ihre eigene Geschichte, ist selbst verwirrt und extrem beschäftigt, ihre eigenen Lebensgeflechte zu entwirren und neu zu ordnen. Jills eigenes Durcheinander kommt sehr gut herüber, aber wie gesagt: ich wusste zeitweise nichts mit ihr anzufangen, nicht zuletzt, weil sie selbst auch nicht mit sich im Reinen war. Aber dies war immerhin auch das Grundthema der Geschichte.

Ich fand “Gestern fängt das Leben an” nun ein herrliches Buch, da es zum Einen ein wenig zum Nachdenken anregte und zum Anderen auch zu einem klaren Ergebnis kam: Du kannst nicht alles kontrollieren, aber über dich selbst hast du die Macht. “Gestern fängt das Leben an” erzählte also nicht einfach nur eine beliebige Geschichte, die lediglich auf “Und am Ende lebten sie alle glücklich und zufrieden...” hinausläuft. Dabei ist “Gestern fängt das Leben an” aber nicht als anspruchsvoll zu bezeichnen: es wird nie philosophisch, es gibt keine schwer verständlichen Metaphern, man muss keine besondere Konzentration aufwenden – prinzipiell lässt sich “Gestern fängt das Leben an” auch ganz gut im Strandurlaub lesen. Es ist einfach etwas fordernder, aber absolut nicht überfordernd.
Ich habe es sehr genossen, diesen Roman zu lesen; ich habe dabei über Dinge nachgedacht, die ich heute nicht mehr oder anders als einst machen würde und vor Allem hat mich “Gestern fängt das Leben an” aber auch dazu ermuntert, die Punkte in meinem Leben zu verändern, die mich aktuell nerven bzw. über die ich schon länger denke: “Mensch, Latti, daran solltest du was ändern!” Man kann diesen Unterhaltungsroman also auch ein wenig als inspirierendes Motivationsbuch verstehen. Man kann “Gestern fängt das Leben an” aber auch nur einfach so lesen, ohne an sein eigenes Leben zu denken.

8,6 von 10 Rauschmitteln


PS: Nicht vergessen, heute nacht ist Zeitumstellung - wir dürfen quasi eine Stunde in die Zukunft reisen...


Buch-Info

"Gestern fängt das Leben an", Allison Winn Scotch /  rororo / ISBN-10: 3499252236 /  ISBN-13: 978-3499252235 / 352 Seiten / 9,95€ (Taschenbuch) / 9,49 (ebook)
Preise (vom 30.03.2013) in der Schweiz: ex libris – CHF 11,90 (Taschenbuch); ebook aktuell nicht erhältlich / Thalia – CHF 18,60 (Taschenbuch); CHF 11,40 (ebook) / Weltbild – CHF 14,95 (Taschenbuch); CHF 12,00 (ebook)

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